Ein wenig hatte ich die eigentliche Frage dieser Beitragsreihe ja schon in Folge 2 beantwortet. Und natürlich sollte ich fairerweise sagen, dass diese Antwort doch recht an der Oberfläche kratzt. In dieser Folge will ich dem Punkt einmal tiefer begegnen, aber nicht nur aus meiner persönlichen Sicht, sondern auch ganz bewusst die Klischees der Menschen aufgreifen, die über die Leserinnen und Leser der Horrorliteratur reden. Das wird nicht immer lustig, das sei schon mal verraten.
Schaulustiges Pack.
Auf der Autobahn geschieht ein Unfall, alle Bremsen, alle wollen sehen was da passiert ist. Blut, Leichen, immer her damit. So passiert es stets und leider verdammt regelmäßig auf den Autobahnen. Schaulustige die abbremsen, und dabei nicht selten einen Unfall provozieren, nur um zu sehen was dort passiert ist. Ist eine solche Lust auch beim Lesen von Horror spürbar, empfinden wir es als lustvoll das Leiden einer Figur innerhalb eines Horrorromans zu spüren? Ich denke durchaus, dass es diese Momente beim Lesen gibt, doch ob es immer das Leiden ist, glaube ich eher weniger. Es mag eher die Gewissheit sein, dass es nicht wir sind, jene Menschen die diese Geschichte lesen, die es da erwischt. Und das Überleben kann schon lustvoll sein. Doch ich bezweifle zweierlei Dinge, zum Einen glaube ich nicht, dass es dieser Grund ist warum ich Horror lese, und ich glaube auch nicht, dass es dieser Grund ist, warum so viele andere Horror lesen. Denn das wäre vergleichsweise ärmlich. Und ich würde es als relativ geschmacklos empfinden, wenn ich Leser von Horrorliteratur mit Gaffern auf der Autobahn gleichsetzen müsste. Also nein, zu dem Punkt, dass Horrorfans Schaulustiges Pack sind.
Machtgeilheit.
Ist Macht geil, vielmehr wirkt Macht geil auf einen selbst und auf andere (wenn man Macht hat). Nehmen wir die Bundeskanzlerin, sie hat Macht, ohne jeden Zweifel, doch animierend wirkt sie zumindest auf mich nicht. Wenn Macht also nicht geil macht, dann ist es vielleicht an sich so, dass jemand der Macht hat geil wird. Doch allumfassend weiß ich nicht so recht ob das zutreffend sein kann. Das wird schon schwerer zu beantworten, nicht weil ich nicht auch Macht haben kann und sie auch ausübe, sondern weil das sehr individuell ist. Also ob die Macht die man besitzt einen selbst auch geil macht. Machtgeilheit in Verbindung mit Horror ist aber das eigentliche Thema. Hat der Leser wirklich Macht? Oder ist es nicht so, dass der Autor, die Autorin, die eigentliche Macht hat und auch gnadenlos ausübt? Und wenn das so ist, dann sollte die nächste Vermutung eher nicht dahingehend sein, dass der Leser, die Leserin aus Machtgeilheit liest. Spannend. Und ich muss mich fragen, habe ich nun ein Problem mit der Macht als Schriftsteller? Übe ich das gerne aus? Halt Moment mal, das ist nicht das Thema dieses Beitrages. Da will ich hier nun gar nicht so tief bohren, macht mir ja Angst vor mir selbst.
Lust am Schmerz, den Qualen.
Nun der Leser selbst sollte ja keine wirklichen Schmerzen beim Lesen empfinden, aber durchaus den Schrecken. Und das ist wiederum ein Punkt der durchaus interessant ist. Da passiert einfach etwas. Körperliche Reaktionen, die sich auf den Leser auswirken und damit auch zugleich Gefühle hinterlassen. Nicht zuletzt, ich komme zurück zum Unfall weiter oben, die Erleichterung mich hat es nicht erwischt. Ich lebe noch, kann gleich weiterfahren, nachdem ich abgebremst habe. Es ist so verdammt beruhigend zu wissen mir geht es gut. Und das ist ein verdammt guter Mix aus Hormonen der da ausgeschüttet wird. Jetzt komme ich zu dem Punkt, der vermutlich so fasziniert, es ist dieser Hormoncocktail, den wir uns selbst einverleiben können. Die Spannung, die Erleichterung, aber nicht selten auch die Gewissheit. All das macht es aus. Es ist also nicht die Lust am Schmerz perse.
Was also kann ich nun feststellen? Ich lese Horror, tatsächlich weil ich mich dabei unterhalten fühle. Es ist mir dabei wirklich egal was andere denken, denn ich habe daran nicht nur Freude. Jede Menge anderer Emotionen werden geweckt. Das ist es was ich mag und was mich befriedigt. Literatur die mich abholt, die mich an Grenzen bringt und nicht selten darüberhinaus, die mich aber auch wieder zurückbringt. Und wenn sie das nicht tut, wenn sie mich am Ende stehen lässt, dann ist es für mich umso spannender selbst wieder zurückzufinden. Neben Horror lese ich auch Krimis, Thriller und Fantasy, aber auch weit weg davon zahlreiche Sachbücher, Biografien und nicht selten auch witzig Skurriles (viele Grüße an Horst Evers ). Doch im Horror finde ich immer wieder die größte Bereicherung beim Lesen. Dort ist für mich stets alles rund.